Die Aortenklappe sitzt zwischen der linken Herzkammer (Ventrikel) und der Hauptschlagader (Aorta). Ihre Aufgabe ist es zu verhindern, dass Blut von der Hauptschlagader in die linke Herzkammer in der Erschlaffungsphase des Herzens (Diastole) zurückläuft. Die Klappe öffnet sich, wenn der Druck in der linken Herzkammer höher ist als in der Hauptschlagader und schließt mit dem Beginn der Erschlaffungsphase des Herzens, wenn der Druck in der linken Kammer nachlässt. Die Aortenklappe besteht aus drei Klappensegeln und ist aufgehängt in einem sogenannten Annulus, einem imaginären Ring zwischen der linken Herzkammer und der Hauptschlagader. Bei jedem Herzschlag öffnet sich die Klappe, das Blut wird aus der linken Kammer in die Hauptschlagader ausgeworfen, anschliessend schließt sich die Klappe wieder.
Aortenklappenerkrankungen sind mit 2% in der Bevölkerung relativ häufig. Sie können entweder angeboren, wie z.B. bei der bikuspid angelegten Aortenklappe, wo nur zwei Segel funktionell angelegt sind, oder aber erworben sein. Zu den erworbenen Aortenklappenerkrankungen gehört die Entzündung der Aortenklappe, der sogenannten Aortenklappenendokarditis, die zur Destruktion der Klappe und häufig zum Wachstum von Bakterienrasen (Vegetationen) führt.
Die häufigste Ursache für Aortenklappenerkrankungen ist die Verkalkung der Klappe. Im Laufe des höheren Lebensalters verkalken der Annulus und auch die Klappensegel, es kommt zu einer Verengung der Klappenöffnung und damit zu einer sogenannten Aortenklappenstenose.
Eine solche Aortenklappenstenose kann lange ohne Symptome ertragen werden, der Herzmuskel gewöhnt sich an die Situation und bildet eine kräftigere Muskulatur aus, um das Blut gegen den erhöhten Widerstand durch die verengte Klappe hinaus zu pumpen. Irgendwann ist dann die Klappe so verkalkt und die Öffnung so klein, dass nicht mehr genügend Blut, insbesondere bei Belastungen, in den Körper hinausgepumpt werden kann. Dann treten erste Symptome auf.
Die zweite wesentliche Aortenklappenerkrankung ist die Undichtigkeit der Aortenklappe, die sogenannte Aortenklappeninsuffizient. Diese tritt insbesondere bei der oben erwähnten Endokarditis auf, wenn das Klappensegel zerstört ist. Sie kann auch angeboren sein, ist aber am häufigsten anzutreffen, wenn sich die Hauptschlagader, in der die Aortenklappe aufgehängt ist, erweitert. Diese Erweiterung, die man Aneurysma nennt, führt zum Auseinanderweichen der Segel der Aortenklappe, sodass diese nicht mehr richtig schließen können. Es kommt zu einer Undichtigkeit im Zentrum der Aortenklappe und in der Erschlaffungsphase des Herzens fließt Blut von der Hauptschlagader zurück in die linke Herzkammer und belastet so das Herz mit zusätzlichem Blutvolumen. Auch dieser Zustand wird relativ lange toleriert vom Herzen, wird die Undichtigkeit zu groß, wird das linke Herz mit Blutvolumen überladen und es kommt zum Rückstau und damit zu Symptomen.
Eine Aortenklappenstenose kann lange vom Herz toleriert werden, ohne dass der Patient Beschwerden verspürt. Erst wenn eine höhergradige Aortenklappenstenose vorliegt, treten in der Regel erste Symptome auf. Die üblichen Anzeichen bei Aortenklappenstenose sind Luftnot (Dyspnoe), Herzschmerzen (Angina pectoris) und plötzliche Ohnmachtsanfälle (Synkope), die einzeln oder kombiniert auftreten können. Auch Rhythmusstörungen des Herzens können erste Anzeichen für eine hochgradige Aortenklappenstenose sein. Am häufigsten fällt dem Patienten als erstes Symptom auf, das seine Belastbarkeit z.B. beim Treppensteigen oder beim Bergangehen eingeschränkt ist. Im Lauf der Zeit nimmt die Belastbarkeit weiter ab und weitere Symptome können hinzukommen. Spätestens zu diesem Punkt sollte der Patient unbedingt einen Arzt aufsuchen, um diese fehlende Belastbarkeit abzuklären. Der Arzt nimmt die Anamnese auf und untersucht den Patienten. Typischerweise hört man über der Aortenklappe mit dem Stethoskop ein Herzgeräusch, welches auch in der Halsschlagader zu hören ist. Das Herzgeräusch, ein sogenanntes Systolikum, ist sehr typisch für das Vorliegen einer Aortenklappenstenose. Der jetzt bestehende Verdacht auf das Vorliegen einer Aortenklappenstenose wird durch eine Echokardiographie des Herzens bestätigt. Mit dieser Ultraschallmethode kann man sehr genau einschätzen, ob tatsächlich die Öffnungsfläche der Aortenklappe verringert ist und ob die Klappensegel verkalkt sind. Auch lässt sich ein Druckgradient über der Aortenklappe messen, der dadurch entsteht, dass die linke Herzkammer mit aller Kraft versucht, das Blut durch den erhöhten Widerstand der verengten Aortenklappe hindurch zu pressen. Bestätigt sich tatsächlich in der Echokardiographie, die durch die Brustwand vorgenommen wird, das Vorliegen einer Aortenklappenstenose, wird häufig noch eine Schluckechokardiographie (transoesophagiale Echokardiographie) durchgeführt, bei welcher die Ultraschallsonde in die Speiseröhre vorgeschoben wird und das Herz von der Rückseite heraus untersucht wird. Mit dieser Methode kann man sehr genau alle Herzklappen untersuchen.
Bestätigt sich in der Echokardiographie das Vorliegen einer hochgradigen Aortenklappenstenose und bei dem Patienten findet sich mindestens eines der oben beschriebenen Symptome, so beseht die Indikation zur operativen Therapie. Eine medikamentöse Therapie einer hochgradigen Aortenklappenstenose gelingt nicht. Liegt eine hochgradige Aortenklappenstenose vor, aber der Patient ist symptomfrei, sollten weitere Untersuchungen wie z.B. ein Belastungs-EKG erfolgen, um die Relevanz der Aortenklappenstenose einzuschätzen. Prinzipiell empfehlen die heutigen gültige Therapieempfehlungen, dass im Zweifel bei Vorliegen einer hochgradigen Aortenklappenstenose operiert werden soll, auch wenn der Patient noch nicht symptomatisch ist. Denn eine gefürchtete Komplikation der Aortenklappenstenose ist die Verschlechterung der Pumpfunktion der linken Herzkammer bis hin zum plötzlichen Herztod, was unbedingt verhindert werden muss. Wird die Indikation zur Operation gestellt, muss vor der Operation eine Koronarangiographie durchgeführt werden, um das Vorliegen einer koronaren Herzerkrankung (KHK) auszuschließen. Läge diese vor, würde man gleichzeitig mit dem Ersatz der Aortenklappe auch die KHK therapieren, indem man koronare Bypässe anlegt. Zur weiteren präoperativen Diagnostik gehören die Durchführung einer Ultraschalluntersuchung der Halsschlagadern, um eine Verengung auszuschließen, sowie die Durchführung einer Lungenfunktionstestung zur Feststellung der Narkosefähigkeit, ein Röntgenbild des Brustkorbes, die Blutuntersuchung, sowie die zahnärztliche Untersuchung, um ein möglichen Infektherd im Mund-Kiefer-Bereich auszuschließen. Die Symptome bei einer Aortenklappeninsuffizienz sind ähnlich, hier steht insbesondere die Luftnot im Vordergrund. Auch hier wird mit der Ultraschalluntersuchung die Diagnose gesichert, bei hochgradiger Aortenklappeninsuffizienz bleibt nur die operative Sanierung. Die operative Vorbereitung entspricht genau der gleichen wie bei der Aortenklappenstenose.
OFFENER CHIRURGISCHER AORTENKLAPPENERSATZ
Bei Vorliegen einer hochgradigen Aortenklappenstenose oder Aortenklappeninsuffizienz sind die medikamentösen Therapiemöglichkeiten sehr limitiert. Prinzipiell besteht Operationsindikation, wenn der Patient symptomatisch ist. Die klassische Operationsform zur Behandlung einer Aortenklappenstenose ist die offene Herzoperation. Hierzu wird das Brustbein durchtrennt, der Herzbeutel eröffnet, die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen und die Hauptschlagader abgeklemmt. Nun kann man am blutleeren Herzen die Hauptschlagader eröffnen und unter Sicht die defekte Aortenklappe herausschneiden. Nach Säuberung des Aortenklappenringes wird der Durchmesser ausgemessen und eine passende Aortenklappenprothese ausgewählt und eingenäht. Nach Verschluss der Hauptschlagader wird die Blutzirkulation in das Herz wieder freigegeben und nach einer kurzen Erholungsphase kann die Herzlungenmaschine wieder abtrainiert werden. Der Brustkorb wird verschlossen und der Patient wird zur weiteren Überwachung auf die Intensivstation verlegt.
Video: Minimalinvasiver Aortenklappenersatz
Zum Ersatz der verkalkten stenosierten Aortenklappe stehen verschiedene Herzklappenprothesen zur Verfügung: die mechanische Aortenklappenprothese, zu meist aus Carbon, sowie biologische Klappenprothesen, die entweder aus Herzklappen des Schweines oder aus dem Herzbeutelgewebe von Rindern zusammengesetzt ist. Eine Rekonstruktion der Aortenklappe bei Vorliegen einer Aortenklappenstenose ist nur in Ausnahmefällen möglich. Im Gegensatz dazu lässt sich die Aortenklappeninsuffizienz häufig durch ein rekonstruktives Verfahren beheben, so z.B. durch die Rekonstruktionsmethode nach David, bei der die intakte Aortenklappe in eine Rohrprothese eingesetzt wird, die die erweiterte Hauptschlagader ersetzt. Die Auswahl der geeigneten Klappenprothese hängt von dem Lebensalter und den Lebensumständen des Patienten ab. Prinzipiell wird empfohlen, dass ab einem Lebensalter von etwa 60 Jahren biologische Klappenprothesen implantiert werden. Der Vorteil der biologischen Klappenprothese ist die gute hämodynamische Flusseigenschaft, so dass eine lebenslange Blutverdünnung nicht notwendig ist. Der Nachteil dieser Prothesen ist jedoch, dass ihre Haltbarkeit begrenzt ist. Die Haltbarkeit dieser Klappen hängt stark von dem Alter des Patienten zum Zeitpunkt der Implantation ab, so dass mit den heutigen Erfahrungen bei ungefähr 60 Jahren anfängt, biologische Klappen zu implantieren. Die mechanische Klappenprothese hält lebenslang, ihre Flusseigenschaften sind jedoch so, dass eine lebenslange Blutverdünnung mit Sintrom bzw. Marcumar notwendig ist. Vor jeder Operation an der Aortenklappe muss der Arzt zusammen mit dem Patienten die individuell geeignete Klappenprothese oder das Operationsverfahren auswählen.
Während früher das gesamte Brustbein durchtrennt wurde, um an das Herz zu gelangen, können heute die meisten Aortenklappenersatzoperationen in einer minimal invasiven Technik durchgeführt werden. Auch in der Herzchirurgie des INCCI werden über 80% der Eingriffe an der Aortenklappe über eine partielle obere Sternotomie durchgeführt, d.h. dass nur der obere Anteil des Brustbeines eröffnet werden muss. Dadurch erleidet der Patient ein geringeres Trauma und erholt sich schneller von der Operation. Auch eine Instabilität des Brustbeins nach der Operation ist fast nicht möglich.
KATHETERBASIERTE AORTENKLAPPENIMPLANTATION (TAVI)
Während die offene Herzoperation unter Nutzung der Herzlungenmaschine auch heute noch als die beste Therapie für ansonsten gesunde, noch nicht zu alte Patienten anerkannt ist, wurde 2002 eine katheterbasierte Methode entwickelt, bei der die Herzklappe ohne Eröffnen des Brustkorbes und ohne Nutzung der Herzlungenmaschine therapiert werden kann. Bei dieser Methode wird in Lokalanästhesie über die Punktion einer großen Arterie z.B. in der Leiste, direkt in der Hauptschlagader oder auch an der Schlüsselbeinarterie, ein Katheter in die erkrankte Aortenklappe vorgeschoben. Über diesen Katheter wird die verengte Klappe mit einem Ballon aufgesprengt, und danach in den Aortenklappen-Annulus ein Stent platziert, in dem eine neue Herzklappe eingenäht ist. Auch kann dieses Verfahren durch einen direkten Zugang zum Herzen über eine 5cm große Eröffnung des Brustkorbes durchgeführt werden. Diese Methode, die TAVI genannt wird, ist wesentlich atraumatischer und schonender für den Patienten als eine offene Herzoperation.
Sie hat aber auch einige Nachteile: nach TAVI müssen häufiger Schrittmacher implantiert werden, weil das Reizleitungssystem bei der Prozedur verletzt werden kann. Außerdem kann es zu Undichtigkeiten an der Stentprothese vorbei kommen, und diese Undichtigkeiten, sogenannte paravalvuläre Insuffizienzen, können den Herzmuskel schädigen. Auch liegen noch keine Langzeitergebnisse über die Haltbarkeit dieser Klappenprothesen vor. Mit neuen Generationen von TAVI-Prothesen, die wir am INCCI einsetzen, werden diese Komplikationen deutlich besser beherrscht. Heutzutage wird empfohlen, diese schonende Methode insbesondere bei alten und sehr kranken Patienten anzuwenden, die nicht mehr oder nur unter hohem Risiko operiert werden können.
Die Entscheidung, welches Verfahren dem Patienten angeboten wird, wird am INCCI gemeinsam vom Herzchirurgen und Kardiologen im Heart-Team getroffen. Die Durchführung diese Eingriffes findet im hochmodernen Hybrid-OPsaal statt, hier steht ein voll ausgerüsteter Operationssaal mit modernster Durchleuchtungstechnik zur Verfügung. Der Herzchirurg und der Kardiologe betreuen gemeinsam mit dem Anästhesisten den Patienten , um die höchstmögliche Behandlungssicherheit anbieten können.
Film TAVI:
Wenn die Indikation zur Aortenklappen-Operation gemeinsam vom Kardiologen und Herzchirurgen gestellt worden ist, wird der/die Patient/in, nachdem er/sie sich beim Herzchirurgen vorgestellt hatte, in die Prähospitalisationsambulanz etwa 1 Woche vor dem geplanten Operationstermin einbestellt. Hier lernt der Patient das INCCI und die Stationen kennen, er bekommt den stationären Aufenthalt erläutert, und es finden ggf. noch weitere Untersuchungen statt. Bei dieser Gelegenheit trifft der Patient auch einen Anästhesisten, der über die Narkose und den Aufenthalt im OP und nachher auf der Intensivstation berichtet und die Narkosefähigkeit überprüft und dokumentiert. Gleichzeitig wird festgelegt, ob vor der Operation eventuell eingenommene Medikamente zur Blutverdünnung abgesetzt werden müssen.
Am Tag vor der geplanten Operation kommt der Patient am späten Vormittag auf die Normalpflegestation des INCCI.